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Buch-Rezension

Francis A. Schaeffer
Wie können wir denn leben?

Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur

Geschichte, Kultur, Gesellschaft und Politik; der Charakter von Epochen, Aufstieg, Entwicklung und Niedergang von Kulturen, gesellschaftliche Wertesysteme - all das ist kein Produkt des Zufalls oder unergründlicher Kräfte, sondern entspringt dem Denken der Menschen, und dies wird wiederum entscheidend bestimmt von den jeweils zugrundeliegenden Denkvoraussetzungen, also von ihrer jeweiligen Weltsicht oder Weltanschauung.

Die Weltanschauungsgeschichte des westlichen Kultur­kreises, und wie sie Denken, Kunst, Kultur, Gesellschaft und Lebensgefühl ganzer Epochen und Völker gestaltet hat, von den Anfängen der christlichen Gemeinde inmitten der griechisch-römischen Kultur des Römischen Reichs bis hin zu den philosophisch-weltanschaulichen Überzeu­gungen der westlichen akademischen und kulturellen Elite des ausgehenden 20.Jahrhunderts, die schließlich zum Kern der heutigen postmodernen Gesellschaft wurden, sowie die Rolle der biblisch-christlichen Weltanschauung in diesem gesamten Geschehen - das ist das große Thema dieses äußerst lesenswerten Buches von Francis A. Schaeffer (1912-1984), dem mit Abstand bedeutendsten christlichen Apologeten der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts.

Tour de force durch 2000 Jahre Weltanschauungsgeschichte der westl. Kultur

In einer gewaltigen Tour de force nimmt Schaeffer in dem 1976 erstmals erschienenen Buch den Leser mit auf eine weltanschauliche Zeitreise durch die Jahrhunderte, beginnend beim

 Buch-Einband Francis A. Schaeffer: Wie können wir denn leben?

Rom der Bürgerkriege und des aufkommenden Prinzipats, über Spätantike, Mittelalter, Romanik und Gotik, Renaissance, Reformation, Wissenschaftsgeschichte, Aufklärung und Revolutionen bis hin zum Existentialismus, zum schrittweisen Zerfall der humanistischen Erkenntniswelt und dem davon ausgelösten Pessimismus und schließlich zur Ausbildung aller Elemente des Gedankenguts, für das nur wenig später - nämlich 1979 - Jean-François Lyotard den prägenden Begriff „postmodern“ einführen sollte. Schaeffer zeigt bei dieser Zeitreise drei Linien der Entwicklung parallel und in ihrer Wirkung aufeinander und auf die Lebenswelt auf: die philosophische, die naturwissenschaftliche und die religiöse.

Im Zentrum der Gesamtschau steht dabei der Gedanke, daß die biblisch-christliche Weltsicht die Wahrheit über diese Welt offenbart, weil Jesus die Wahrheit ist. Weil der Gott der Bibel vernünftig und verläßlich ist, kann der Mensch durch Denken und Forschen, durch Beachten der übernatürlichen Offenbarung Gottes und seiner Offenbarung in den Werken und der Ordnung der Schöpfung wichtige Wahrheiten über Gott und diese Welt herausfinden. Weil Gott den Menschen liebt und nach seinem Bilde geschaffen hat, ist Wert, Würde und Personalität des Menschen unveräußerlich. Weil Gott ein Gott der Beziehungen und der Wahrheit ist, gibt es verläßliche Information und Kommunikation.

Davon ausgehend stellt Schaeffer die Frage, welche Charakteristika und welche Belastungs­fähigkeit Gesellschaften und Gruppen in Abhängigkeit von ihrer Position zur biblisch-christlichen Weltsicht haben. Die frühen Christen konnten den römischen Kaisern, dem Kaiserkult und dem gesellschaftlichen Hedonismus die Stirn bieten, weil die Absoluta Gottes es jedem bibel­orientierten Christen ermöglichen, Charakter und Handlungen von Regimen und Gesellschaften nach einem absoluten Maßstab zu beurteilen. Demgegenüber erwies sich die Basis der nach „Brot und Spielen“ strebenden, dekadenten und schließlich in Apathie der Bürger versinkenden römischen Gesellschaft als nicht tragfähig.

Schaeffer beschreibt dann die Entwicklungen des Mittelalters mit dem Konsens christlicher Grund-Denkformen, der Abwertung des Geschaffenen, der zunehmenden Verfälschung der christlichen Lehre durch humanistische Elemente antiker Philosophen, insbesondere in der Scholastik Thomas von Aquins, die Geburtswehen der humanistisch orientierten Renaissance und der biblisch orientierten Reformation, wobei letztere nicht nur die Verfälschungen in der christlichen Lehre beseitigte, sondern durch die Betonung der Menschenwürde und die Bindung von Recht, Gesetz und Herrschaft an die Bibel in ganz Nordeuropa zu Gesellschaften mit noch nie dagewesenen persönlichen Freiheiten bei gleichzeitiger Stabilität führte - die Vorläfer der modernen Demokratien. Der Versuch, diese Freiheit in den nichtreformatorischen Ländern auf rein humanistischer Basis nachzubilden, führte zu blutigen Revolutionen, aus deren Chaos sich langjährige diktatorische Regime (Frankreich: Napoleon; Rußland: Lenin/Stalin) erhoben.

Schwerpunkt des Buches: Die Entwicklung von der Reformation bis zur Gegenwart

Als Raster für die weitere Zeitreise dient Schaeffer das Verhältnis in einer Kultur zwischen dem Besonderen (z.B. den geschaffenen Wesen und Dingen dieser Welt) und dem Allgemeinen, das dem Besonderen Sinn gibt - in der Philosophie auch als „Universalienproblem“ bekannt. Da die Bibel genau diese Frage ausreichend beantwortet und das Allgemeine und das Besondere ins richtige Verhältnis zueinander setzt, gibt es für den biblisch denkenden Christen kein Universalienproblem - im Gegensatz zum Humanisten, der den Gott der Bibel aus seinem Weltsystem ausschließt. Der Optimismus der frühen Humanisten, durch den autonomen (also von Gott losgelösten) Verstand vom Besonderen zum Allgemeinen zu gelangen und die Welt und den Menschen erklären und einen Sinn für sie finden zu können, schlug ab etwa 1800 (Rousseau, Kant, Hegel, Kierkegaard) wegen der anhaltenden Erfolglosigkeit dieser Bemühungen in einen radikalen Pessimismus um. Das Erlöschen der Hoffnung, ein einendes Allgemeines zu finden, führte schrittweise zur völligen Fragmentierung der Sicht auf die Realität. Als Folge entstand der Existentialismus mit seiner radikalen Trennung zwischen dem Pessimismus der Vernunft („unten“) und der Sinnfrage, die in den irrationalen Bereich („oben“) verwiesen wurde, und nur das Klammern an die eigene Existenz oder „Grenzerlebnisse“ als letzten Hinweis darauf, daß „irgendwo“ ein Sinn existieren muß, verzögern noch den endgültigen Sturz in die absolute Hoffnungs- und Sinnlosigkeit. Entsprechend wandelte sich das Menschenbild über die Jahrhunderte vom gottesebenbildlichen Gegenüber Gottes zur Schau vom Menschen als einer manipulierbaren elektrochemischen Maschine in einem anonymen, kalt schweigenden Universum. In den Wissenschaften führte dies zum psychologischen, soziologischen und biologischen Deter­minismus und zur Verneinung des freien Willens.

Schaeffer stellt mehrmals treffend heraus, daß gerade die Philosophen und Künstler, die diesen Prozeß beschleunigten, nicht selbst nach ihrer proklamierten Philosophie leben konnten, sondern entweder von den Restbeständen des christlichen Menschen- und Weltbildes lebten oder wahnsinnig wurden. Dennoch eroberte diese existentialistisch inspirierte Anschauung auf dem Weg über Gelehrtenkreise, Kunst, Literatur und schließlich die Massenkultur der Nachkriegszeit (Film, Musik, Fernsehen) die gesamte westliche Gesellschaft und ihre Entscheidungsträger und stellte einen nahezu monolithischen Konsens her, der die Wertebasis christlicher Herkunft großflächig auflöste und bei den Massen oft nur die kümmerlichen Werte „persönlicher Friede“ und „Wohlstand“ hinterließ.

Einmal hier angekommen, kann sich die Gesellschaft ethisch rasch in jede beliebige Richtung verändern und mit 51%- oder 67%-Mehrheiten oder durch Eliten willkürliche neue Absoluta setzen. Von den Hemmnissen der Vergangenheit befreit, konnte sich in der kulturellen Elite die Fragmentierung der Sicht auf die Realität so weit fortsetzen, daß sich sogar die Grundlagen der Wahrnehmung und des Erkennens selbst auflösen, womit Schaeffer bereits das wesentliche Element des Postmodernismus beschrieben hat, ohne damals diese Bezeichnung kennen zu können.

Schaeffers warnender Ausblick auf die Zukunft: Diktatur der neuen Elite

Aufbauend auf dem bisher Gesagten legt Schaeffer am Schluß des Buches überzeugend dar, daß die biblisch-christliche Wertebasis Ausgangspunkt und Garant der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unserer westlichen Gesellschaft ist und mit dem Verschwinden dieser Wertebasis die Existenz dieser Grundordnung nur noch von der Vergangenheit geborgt ist. Bereits jetzt weist unsere Gesellschaft mit ihrer hedonistischen Prägung, dem Rückzug ins Private, dem Ruf nach „Brot und Spielen“ (Wohlstand und Unterhaltung) und der apathisch bis sarkastischen Haltung in Verbindung mit einer nicht tragfähigen existentialistischen bis konstruktivistischen Weltsicht erstaunliche Parallelen zum Rom der Spätantike auf, mit anderen Worten: der Todeshauch des untergehenden Roms weht durch unsere Straßen und Häuser.

Nach Schaeffer ist damit längst nicht der Endpunkt der Entwicklung erreicht. Eine Gesellschaft, die keine transzendente Wertebasis hat, die Menschen als chemische Maschinen ansieht, die den Tod des Verstandes sucht, die die Existenz objektiver Wahrheit leugnet (was der Manipulation Tür und Tor öffnet), in der Recht und Wissenschaft soziologisch betrieben werden, die Verfassungstexte auch gegen die Intention der Verfasser dem Zeitgeist entsprechend neu deutet, in der per Mehrheit neue Absoluta beschlossen werden können, befindet sich auf einer ethischen Schleuderfahrt ins Chaos. Da aber keine Gesellschaft mit Chaos leben kann, werden die Menschen akzeptieren, daß schrittweise eine neue technokratische Elite, die bereits existiert, in autoritärer Weise die Steuerung in der Gesellschaft bis hin zur manipulativen totalen Kontrolle und Entwürdigung des Menschen übernimmt. Daß dies eine reale Gefahr ist, belegt Schaeffer mit Diskussionsthemen und Vorschlägen einflußreicher Wissenschaftler und den von ihnen hervorgebrachten utopischen Gesellschaftsentwürfen, wie sie z.B. in B.F.Skinners Roman „Walden Two“ sichtbar werden. Schaeffer diskutiert dann alternative Szenarien und stellt die Frage, wann unter dem zunehmenden Druck der äußeren Umstände Menschen bereit sind, persönliche Freiheit und Menschenwürde zu verteidigen, oder dem Verlangen nach persönlichem Frieden und Wohlstand nachgeben und die Diktatur der neuen Elite und ihre neuen Absoluta akzeptieren. Die diesbezüglich in der letzten Zeit in Deutschland gemachten Umfragen lassen da nichts Gutes erahnen.

Unsere Aufgabe: Das Wächteramt des Propheten Hesekiel wahrnehmen

Schaeffer begründet mit dem Hinweis auf Hesekiel 33,1-11.19, daß bekennende Christen ein Wächteramt von Gott für die Gesellschaft empfangen haben, in der sie leben. Dieser Bibelstelle ist auch der Buchtitel entnommen:

„Und nun, du Menschenkind, sage dem Hause Israel: Ihr sprecht: Unsere Sünden und Missetaten liegen auf uns, daß wir darunter vergehen; wie können wir denn leben? So sprich zu ihnen: So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern daß der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe. So kehrt nun um von euren bösen Wegen. Warum wollt ihr sterben, ihr vom Hause Israel?“ (Hesekiel 33,10-11)

Dieses Wächteramt beinhaltet für uns, daß wir unserer Gesellschaft sagen, von welcher Art der Druck ist, der auf ihr lastet: Er ist Folge der völligen Verbannung des Gottes der Bibel aus der gesellschaftlichen Weltsicht und Lebenswelt, die deshalb völlig fragmentiert wurde und zur völligen inneren Zerstörung des Lebens führte. Es beinhaltet, daß wir gerade in einer post-christlichen säkularisierten Kultur nicht müde werden, den daraus abgeleiteten verhängnisvollen Schluß­folgerungen zu widersprechen und sie von der biblisch-christlichen Weltsicht her richtigzustellen, bevor sie Basis weiterer verhängnisvoller Schritte werden. Es beinhaltet, daß wir die biblisch-christliche Weltsicht wirklich kennenlernen und in allen Lebensbereichen ihr gemäß zu handeln lernen. Schlüsselvoraussetzung dafür ist, daß wir der in unserer Gesellschaft herrschenden existentialistischen Methodologie, der Trennung der Erkenntniswelt in ein rationales Unten und ein irrationales Oben, widerstehen. Sie ist keine notwendige Basis persönlicher Freiheit, schon gar keine biblische Lehre, sondern Folge des Scheiterns der Humanisten, eine Lösung des Universalienproblems in ihrem System zu finden, und stellt sogar einen Motor der inneren Zerstörung des Lebens dar.

Ein unentbehrliches Buch für bibeltreue Christen und Gemeinden in der heutigen Zeit

Kein bekennender Christ, der ernsthaft „der Stadt Bestes sucht“, der bestrebt ist, inmitten der Kultur, in der er lebt, ein am Gott der Bibel orientiertes Denken zur Grundlage der eigenen Entscheidungen auf allen Skalen von Verantwortung zu machen, der deshalb Einsicht in die kulturelle Wirklichkeit, in der er lebt, und ihre geschichtlich-gesellschaftliche Herkunft wie Auswirkungen erlangen möchte, kommt am Studium dieses Buches vorbei. Die Lektüre dieses Buches ist allerdings keine leichte Kost, und gelegentlich ist, um die vielfältigen Argumentations­linien zu erfassen, das mehrfache Lesen einzelner Abschnitte erforderlich. Zur geschichtlichen Einordnung empfiehlt es sich, den dtv-Atlas Weltgeschichte griffbereit zu haben.

Wegen der fundamentalen Bedeutung der Botschaft dieses Buches bin ich hier weit über eine gewöhnliche Rezension und auch über eine Inhaltsangabe hinausgegangen und will meine Ausführungen durchaus auch als eine Lehrbotschaft verstanden wissen. Ich bin unverändert überzeugt davon, daß die Besprechung dieses Buches in jeden bibeltreuen Hauskreis, jede bibeltreue Gemeinde gehört.

Zum Autor

Francis A. Schaeffer (1912-1984) war ein US-amerikanischer promovierter Theologe und Philosoph. Nach einigen Jahren Dienst als Pastor presbyterianischer Gemeinden siedelte er 1948 mit seiner Familie in die Schweiz über und gründete dort 1955 die L'Abri-Gemeinschaft (L'Abri = Zuflucht), mit der er eine Stätte schuf, wo Christen und Suchende in Ruhe über ihre persönlichen Überzeu­gungen durch Bibel-/Bücherstudium und Diskussionen in einem Rahmen gemeinschaftlichen Lebens nachdenken konnten. Schaeffers kulturapologetische Basisarbeit und sein intellektuell-publizistisches Wirken leisteten einen wesentlichen Beitrag zur apologetischen, evangelistischen und gesellschaftspolitischen Wirksamkeit der bekennenden Christenheit der letzten Jahrzehnte.

Bezugsdaten

ISBN Verlag
978-3-7751-3364-7 Hänssler-Verlag, Holzgerlingen
Edition L'Abri
   
Erscheinungsform: Taschenbuch, Softcover, 302 Seiten
Erscheinungsjahr: 2000 (5. Auflage)
Neupreis (2007): EUR 10,50

Neuausgabe 2014

Da der Hänssler-Verlag die deutschsprachige Ausgabe trotz vorhandener Nachfrage nicht mehr produzierte, besorgte der betanien-Verlag 2014 eine deutsche Neuausgabe dieses wichtigen Werkes Schaeffers, wobei die Übersetzung sprachlich stark überarbeitet wurde, jedoch leider u.a. aus rechtlichen Gründen die Abbildungen der Hänssler-Ausgabe weitgehend fehlen.

ISBN Verlag
978-3-935558-37-2 betanien Verlag, Oerlinghausen / Augustdorf (Lippe)
   
Erscheinungsform: Taschenbuch, Softcover, 238 Seiten
Erscheinungsjahr: 2014 (2. Auflage 2015)
Neupreis (2016): EUR 13,90
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